Schreiben braucht MutSchreiben braucht Mut. Mehr Mut als uns bewusst ist. Die eigene Meinung zu formulieren fällt uns schwer. Wir hemmen uns durch die soziale Verträglichkeit selbst, wichtige Arbeit zu leisten und unser Werk zu präsentieren. Warum das so ist und weshalb wir trotzdem weitermachen sollten, beleuchte ich in diesem Beitrag.

Die Erziehung

Bis im Erwachsenenalter ist ein Mensch unselbstständig. In dieser Zeit ist eine Person auf das Wohlwollen seiner Erziehungsberechtigten angewiesen. Deshalb lernen Kinder schon früh, warum es wichtig ist, der Verwalterin der Süssigkeiten-Dose zu gefallen, oder was man tun muss, um Extrawünsche erfüllt zu bekommen. Bei der Sozialisierung erhalten Kinder unentwegt Rückmeldungen und lernen, anderen Personen zu gefallen. Dieses Spiel zieht sich durch die gesamte Ausbildungszeit, in der wir immer wieder in andere Situationen gesteckt werden, ohne Mitspracherecht oder die Gelegenheit uns auf Augenhöhe mit den Lehrern zu verständigen.

Die Welt der Erwachsenen

Dann geht es hinaus in die weite Welt und das erlernte Verhalten passen nicht mehr zu der Situation. Auf einmal findet man sich wieder in einer Welt, die von Konflikten lebt! Im Beruf stehen die Interessen einzelner Abteilungen im Gegensatz zueinander. Viele erwarten eine starke Persönlichkeit als gegenüber. Preise, Termine, Güter und Dienstleistungen werden firmenübergreifend verhandelt. Intern werden Ferien, Gehalt, Budget und Ziele verhandelt. Bei all diesen Differenzen wird nun erwartet, eine konfliktfreudige Persönlichkeit vor sich zu haben.

Fehlende Kompetenz Mut

Dabei haben die meisten nie gelernt, Konflikte auszutragen. In den meisten Familien werden Kinder nicht ermutigt, ihren eigenen Weg zu suchen. Solche Kinder sind anstrengend. In der Schule fallen sie negativ auf, weil sie den Unterricht hinterfragen und eben nicht brav tun, was von ihnen verlangt wird. Junge Menschen kommen als Klone in die Berufswelt. Angepasst an die Erwartungen der Gesellschaft. Im Schutz der Masse. Lieber nicht auffallen als negativ auffallen.

Neue Werte

Doch auf einmal wenden andere Werte verlangt. Jetzt soll man innovativ sein. Mitdenken und vorausschauenden Handeln ist gefragt. Seid kreativ! Ihr müsst die Kunden und Kollegen begeistern. Verbesserungen einführen und eure eigenen Meinungen vertreten. Genau in diese Sparte gehört auch das Schreiben. Jetzt sagen wir nicht mehr: «Ja, das denke ich auch», sondern: «Hier, so sehe ich das».

Wer schreibt, wird sichtbar

Dieser Paradigmenwechsel ist fundamental. Wer bin ich, dass ich etwas zu sagen habe? Ich bin kein Genie und habe keine besonderen Begabungen. Auf einmal exponieren wir uns als Schreiberlinge. Wir sprechen unsere Gedanken nicht nur flüchtig aus, wir halten sie schriftlich fest. Der Akt des Schreibens ist bindend. Auch morgen oder übermorgen können fremde Menschen unsere Worte lesen. Wir werfen unsere Meinung der Welt zum Frass vor. Damit werden wir verletzlich. Jeder unqualifizierte Troll kann nun über unseren Text herziehen. Und das brauch Mut.

Troll-Alarm!

Früher oder später wird jeder, der sich in irgendeiner Form öffentlich äussert verbal attackiert. Das tut weh. Fest. Besonders zu Beginn, wenn unsere Identität als Autor noch nicht gefestigt ist. Die Selbstzweifel werden nun von negativen Rückmeldungen gefüttert und können uns leicht dazu verleiten, wieder zurück in die Anonymität der Masse zu verschwinden. Oder wir entscheiden uns, dass diese Person eben nicht unser Publikum war.

Zielgruppe

«Es ist nicht für dich» ist der stille Begleiter von «hier, das habe ich gemacht». Es sind Worte, Werte und Meinungen. Das macht es schwierig zu verstehen, dass sie nicht allen gleichermassen schmecken. Als Bäcker versuche ich auch nicht die Erdbeertorte jemandem zu verkaufen, der eine Erdbeer-Allergie hat. Es ist nichts persönliches. Das Produkt ist einfach nicht für sie. Auch Ideen haben ihre Zielgruppe. Nicht alle wollen da hingehen, wohin unsere Reise führt.

Haters gonna hate

Beleidigende Kommentare sagen mehr über den Verfasser aus als über den Kritisierten. Als Person, die ihre Stimme erhebt, muss man sich diesen Schmutz nicht antun. Klopfe ihn einfach von den Kleidern und konzentriere dich auf dein Publikum. Jeder, den deine Worte berühren und verändern, ist tausend Mal mehr wert als die Rückmeldung eines Trolls. Obwohl deine Zielgruppe sich nur in den seltensten Fällen bei dir meldet. Sie schweigen oft. Meist denken sie nicht, dass du lob gebrauchen könntest. Immerhin bist du jetzt ein Vorbild. Deshalb braucht es Mut und Zähigkeit zu schreiben.

 

Bis zum nächsten Mal

Euer Reggy