Die Heldenreise ist ein Konzept, das tief in der Erzähltradition der Menschheit verwurzelt ist. Von den epischen Mythen der Antike bis hin zu den modernen Blockbustern folgt die Struktur der Heldenreise einer grundlegenden Erzählform. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Konzept? In diesem Blogeintrag werfen wir einen Blick auf das Modell der Heldenreise und wie es für Autoren zu einem mächtigen Werkzeug werden kann.
Was ist die Heldenreise?
Die Heldenreise (oder „Monomythos“) wurde vom amerikanischen Mythenforscher Joseph Campbell in seinem Werk Der Heros in tausend Gestalten (1949) formuliert. Campbell analysierte Mythen, Legenden und Geschichten aus verschiedenen Kulturen und stellte fest, dass viele von ihnen einem ähnlichen Erzählmuster folgten. Die Heldenreise ist eine Metastruktur für eine Vielzahl von Erzählungen. Sie beschreibt die Reise eines Helden, der sich aus seiner gewohnten Welt herausbegibt, Prüfungen und Herausforderungen überwindet und schliesslich als veränderter Mensch in seine alte Welt zurückkehrt.
Die Phasen der Heldenreise
Joseph Campbell unterteilte die Heldenreise in 17 Hauptphasen, die den Weg des Helden von seiner gewohnten Welt über seine Abenteuer und Prüfungen bis hin zu seiner Rückkehr beschreiben. In der Praxis werden diese Phasen oft vereinfacht und in verschiedene Modelle unterteilt. Ein vereinfachtes Modell, das besonders beim Schreiben von Romanen hilfreich ist, umfasst folgende Phasen:
- Die gewohnte Welt: Der Held lebt in seiner gewohnten Umgebung, doch er spürt eine Unzufriedenheit oder einen Drang nach Veränderung.
- Der Ruf des Abenteuers: Eine Herausforderung oder ein Problem taucht auf, das den Helden zu einer Reise oder Veränderung auffordert.
- Die Weigerung des Rufes: Oft zögert der Held, den Ruf anzunehmen. Angst, Zweifel oder persönliche Barrieren hindern ihn.
- Begegnung mit dem Mentor: Der Held trifft eine weise Figur, die ihm Rat gibt, ihn unterstützt oder ihm die nötigen Werkzeuge für seine Reise mitgibt.
- Das Überschreiten der ersten Schwelle: Der Held tritt in eine neue Welt ein, die voller Gefahren und Ungewissheiten ist.
- Prüfungen, Verbündete und Feinde: Der Held trifft neue Charaktere, durchlebt Prüfungen und lernt, wer seine Freunde und Feinde sind.
- Die tiefste Höhle: Der Held steht vor seiner grössten Herausforderung oder Angst. Dies ist der tiefste Punkt seiner Reise.
- Die entscheidende Prüfung: Der Held muss sich einer entscheidenden Prüfung stellen, die über den Erfolg oder Misserfolg seiner Reise entscheidet.
- Die Belohnung: Nach der Prüfung erhält der Held eine Belohnung, sei es Wissen, Macht oder eine andere Form der Transformation.
- Der Rückweg: Der Held macht sich auf den Weg zurück in die gewohnte Welt, oft verfolgt von den Konsequenzen seiner Taten.
- Auferstehung: Eine letzte, grosse Prüfung, in der der Held seine Reise mit einem neuen Verständnis und einem stärkeren Selbst abschliesst.
- Die Rückkehr mit dem Elixier: Der Held kehrt in seine alte Welt zurück und bringt das Elixier (Wissen, Weisheit, Heilung) mit, um die Welt zu verändern.
Die Heldenreise im modernen Roman
Die Heldenreise ist nicht nur für epische Fantasy-Romane oder Abenteuergeschichten geeignet, sondern auch für Krimis, Liebesgeschichten oder psychologische Dramen. Die Struktur kann auf verschiedene Genres und Erzählarten angewendet werden, indem man sie an die Bedürfnisse der Geschichte anpasst.
Nehmen wir als Beispiel einen modernen Thriller. Die Heldin könnte ein gewöhnlicher Mensch sein, der plötzlich in eine Situation gerät, in der sie handeln muss. Der „Ruf des Abenteuers“ könnte in Form eines Verbrechens erscheinen, das die Heldin herausfordert, ihre Komfortzone zu verlassen. Prüfungen, Verbündete und Feinde tauchen auf. Und schliesslich muss die Heldin eine Entscheidung treffen, die ihre gesamte Welt auf den Kopf stellt. Der „Rückweg“ könnte die Rückkehr zur Normalität sein. Doch die Heldin hat sich während der Reise gewandelt und muss sich mit den Konsequenzen ihres Handelns auseinandersetzen.
In einem Liebesroman könnte die „Höhle“ (Punkt 7) die emotionalen Ängste und Unsicherheiten des Protagonisten darstellen, die in der Liebe überwindet werden müssen. Auch hier ist die Transformation durch die Reise entscheidend: Der Held muss lernen, sich selbst und die Liebe in einer neuen Weise zu verstehen.
Warum die Heldenreise auch für Autoren so wertvoll ist
Die Heldenreise bietet ein starkes Gerüst, das hilft, eine tiefgründige Geschichte zu entwickeln. Sie gibt dem Autor eine klare Struktur, ohne die kreative Freiheit zu beschneiden. Sie dient als Kompass, um den Charakter und die Handlung in eine Richtung zu lenken, während gleichzeitig genügend Spielraum bleibt, um einzigartige Wendungen, Konflikte und Themen zu integrieren.
Gerade für Autoren, die mit dem Schreiben von Romanen beginnen oder in komplexeren Erzählstrukturen eine Orientierung suchen, ist die Heldenreise ein wertvolles Werkzeug. Sie lässt sich nicht nur auf die Handlung, sondern auch auf die Charakterentwicklung anwenden, indem der Held in jeder Phase mit Herausforderungen konfrontiert wird, die ihn wachsen lassen.
Fazit
Die Heldenreise ist ein kraftvolles Werkzeug für Romane. Sie hilft Autoren, ihre Geschichten zu strukturieren und ihre Charaktere auf tiefgreifende Weise zu entwickeln. Ob Fantasy, Thriller, Drama oder Liebesgeschichte – die Heldenreise ist universell und zeitlos. Wenn du also das nächste Mal mit dem Schreiben eines Romans beginnst, könnte es sich lohnen, diese klassische Erzählstruktur als Ausgangspunkt zu nutzen.
Bis zum nächsten Mal
Euer Reggy
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