Wir alle haben grosse Träume. Träume, die sich gegenseitig ausschliessen. Klar, wir können diese Widersprüche vereinen, indem wir die Planung in verschiedene Lebensabschnitte verteilen und so dennoch einige Gegensätze ausleben dürfen. Dafür musst du aber eines tun: Finde dein grosses Warum.
Unsere wirkliche Begrenzung ist der Faktor Zeit. Die Zeit verrinnt unerbittlich und zwingt uns, Prioritäten im Leben zu setzen.
Was will ich?
Mit dieser Frage fängt es an. Ich kann sie für mich nicht eindeutig beantworten. Mit Mitte Dreissig wurstle ich mich immer noch durch jeden Tag ohne einen Lebensplan. Schlimmer noch: Ich habe kürzlich all meine Lebensziele erreicht. Deshalb dümple ich ziellos vor mich hin und fühle mich wie ein Loser mit einer grossen inneren Leere. Diese Leere kann ich nicht durch noch mehr vom Gleichen füllen. Geld, grössere Abteilung, Weiterbildungen, mehr Bücher, Kleider, Essen, was auch immer.
Es bleibt eine Leere, die gefüllt werden will. Und eine Frage, die ich mir immer wieder stelle, sobald ich an ein Hindernis gelange: Warum tue ich mir das an?
Das grosse Warum
Jedes Mal dasselbe Warum. Dieses Warum sollte ich wohl klären. Wahrscheinlich sollte jeder sein Warum klären, wenn er feststeckt. Schon der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche sagte: „Wer ein Warum hat, dem ist kein Wie zu schwer.“
Die Hindernisse lassen sich besser überwinden, wenn man eine feste Absicht hat. Die Reise wird dann mit einer bestimmten Methode angegangen. Dies ist ein wichtiger Faktor: Unser Warum ist noch kein konkretes Ziel. Das Warum ist der zugrundeliegende Wunsch. An diesem Wunschbaum erblühen Zielblüten. Diese Ziele entwickeln sich erst mit der Zeit, wenn wir unser Warum kultivieren, hegen und pflegen.
Und somit wird auch klar, warum die innere Leere bleibt, egal wie viele Ziele wir erreichen, die nicht mit diesem Warum übereinstimmen.
Wie finde ich mein Warum?
Die Antwort darauf ist nicht eindeutig. Immerhin ist jeder von uns ein Unikat. Damit ist ein Allerweltrezept nicht möglich. Mit den folgenden fünf Schritt kommt ihr eurem Warum auf die Spur und könnt dadurch euch selbst besser kennenlernen.
1. Identifiziere deinen Antrieb hinsichtlich deiner Ziele
Generell gibt es zwei Arten der Motivation: die intrinsische (innere) und die extrinsische (äussere) Motivation.
Damit du dein Warum finden kannst, überlege dir, was dich antreibt, dein Ziel zu erreichen. Wenn du bei einem Ziel feststellst, dass du nur äusseren Antreiben folgst, dann ist das nicht dein eigenes Ziel. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis! Du darfst nun dieses Ziel ganz genüsslich streichen. Die Arbeit für dieses Ziel war für dich vermutlich ohnehin anstrengend. Dieses Ziel willst nicht du erreichen, sondern jemand anderes hat dir das Ziel aufgebürdet.
Oft sind das Lebensziele, die einem von Vertrauenspersonen oder der Gesellschaft aufgedrückt werden. Dazu gehören Dinge wie: viel Geld verdienen, ein Eigenheim, eine Vorzeigefamilie besitzen, oder auch einem Idealbild zu entsprechen. Das alles darfst du gerne knicken, wenn es dich nicht erfüllt.
Ich durfte hier einiges in die Tonne kloppen: Partnerschaft, Familiengründung, Geschlechterrollen. Das Haus habe ich gekauft, aber es ist mir relativ egal. Daran habe ich gemerkt, dass ich wahrscheinlich den Lebensabschnitt «Haben» hinter mir lassen kann.
Mein Tipp: Nimm dir genug Zeit, um diese Antworten konkret, tiefgründig, und emotional mit Bezug zu dir zu formulieren. Die Erwartungen deiner Freunde oder Familienangehörigen musst du nicht erfüllen.
2. Höre auf dein Herz
Der Verstand ist in bestimmten Lebensbereichen und -situationen ein wertvoller Berater. Leider habe ich für mich festgestellt, dass der Verstand mir zu oft verallgemeinert. Wenn es um den eigenen Lebensweg geht, sprechen wir von Gefühlen. Und Gefühle funktionieren nicht rational. Sie folgen somit einer anderen Motivation als dein Verstand.
Mein Tipp: Hinterfrage deine Ziele auch mit dem Herzen. Vertraue deinem Bauchgefühl. Wenn dein Verstand und dein Gefühl nicht übereinstimmen, finde heraus, warum das Ziel sich nicht stimmig anfühlt für dich. Wahrscheinlich stecken Glaubenssätze dahinter, die du unwissentlich von deinem Umfeld übernommen hast. Sollten hingegen Zweifel an deinen Fähigkeiten dahinterstecken, dann lass dich nicht von ihnen stoppen. Wenn dir dein Ziel wichtig ist, findest du die Menschen, die dich unterstützen können.
3. Hinterfrage den Status Quo
Wenn du deine jetzige Situation hinterfragst, kommst du auf andere Gedanken. Viele Dinge tun wir, weil es schon immer so gemacht wurde. Jeder schleppt viele Altlasten mit sich herum. Ist es wirklich dein Leben, das du führst? Welche hinderlichen Glaubenssätze halten dich davon ab, zufrieden zu sein? Die Welt ändert sich. Wir ändern uns. Auch deine Gedankenwelt darf sich verändern.
Mein Tipp: Was mit 10 Jahren gepasst hat, stimmt nicht mehr bis ins hohe Alter. Auch zwischen 20 und 30 ändert sich einiges. Es kann also gut sein, dass deine Meinung sich mit zunehmender Erfahrung wandelt. Passe auch dein Warum deinem heutigen Ich an. Sich zu verändern ist gut und wichtig. Niemand zwingt dich, an alten Werten festzuhalten, wenn es dich unzufrieden macht.
4. Identifiziere deine Werte
Die persönlichen Werte bestimmen das Warum. Deshalb ist eine Selbstanalyse der eigenen Werte wichtig. Beispiele von Werten sind: Erfolg, Loyalität, Wachstum, Ehrlichkeit, Respekt, Harmonie, (finanzielle) Freiheit, Mut, Vitalität, Sicherheit, Abenteuer etc.
Sobald man die wichtigsten Werte gefunden und in eine hierarchische Liste eingeordnet hast, werden die eigenen Lebensthemen oder Motive verständlicher. Ein persönliches Warum darf nicht mit den eigenen Grundwerten kollidieren. Viel mehr ist das Warum die Konsequenz der eigenen Grundwerte.
Mein Tipp: Falls du nicht weisst, wie du bei diesem Punkt beginnen sollst, beschreibe dein ideales Selbst. Wie würdest du gerne sein? Welche Charaktereigenschaften sind dir besonders wichtig? Eine Selbstbeschreibung deines Wunsch-Selbst sollte deine wichtigsten Werte abdecken.
5. Kreiere deinen persönlichen Horizont
Aus all den vorhergehenden Punkten wird eine persönliche Marschrichtung ersichtlich. Wie bei einer Wanderung erstreckt sich nun ein Horizont vor dir aus. Oft habe ich den Rat erhalten, eine Vision von meinem Leben zu erstellen. Leider passt das für mich aber nicht. Denn eine Vision ist immer eine Momentaufnahme. Was also, wenn ich sie verpasse? Habe ich dann versagt? Ich möchte gerne nicht versagen.
Deshalb habe ich mich entschieden, mit einem Horizont zu arbeiten. Der Horizont ist ein Ausschnitt an Möglichkeiten. Welche Chancen sich mir durch Zufall eröffnen, kann ich in einer Vision nicht berücksichtigen. Bei der Vorstellung eines Horizontes, bekomme ich Freiheit. Ich kann meine Ausrichtung leicht korrigieren und weiss doch, dass ich ein Leben lang beschäftigt bin.
Was für Spuren möchtest du auf dieser Erde hinterlassen? In welche Richtung sollen sie künftige Wanderer führen? Dieser Horizont ist dein Warum.
Mein Tipp: Mach dir nicht zu viele Sorgen, wenn dein Warum nicht unmittelbar in einem weltbewegenden Ziel mündet. Jeder von uns trägt zu der Gesellschaft bei. Mit den Erkenntnissen dieser fünf Tipps wirst du garantiert bessere Entscheidungen für dich treffen können und selbstbewusst mit einem «Nein» antworten, bevor dir ein fremdes Ziel zu viel Lebenszeit geraubt hat.
Fazit
Ich habe dank meinem Horizont neuen Mut geschöpft und viel Energie freigesetzt, die ich vorher für die Aufrechterhaltung vom schönen Schein verbraucht habe. Ich bin nun mehr die Person, die ich sein will. Ich gehe meinen Weg. Das ist eine tolle Sache.
Dennoch ein Wort der Warnung: Der Bruch mit alten Gepflogenheiten kann für Irritationen sorgen. Einige Leute, die mir nahestanden, sind nicht mehr Teil meiner Reise. Das ist schade, doch es ist in Ordnung.
Selbstverantwortung hat auch seine Schattenseiten. Das kann schmerzhaft sein. Langfristig sind es aber auch Kontakte, auf die ich verzichten kann. Diese Personen haben eine Weltanschauung, die sich zu sehr von meinem Horizont unterscheiden. Ich bin dankbar für die schönen Erinnerungen mit ihnen. Ich wünsche diesen Menschen ein zufriedenes Leben.
Bitte lasst euch nicht von solchen Einzelpersonen aufhalten. Wenn eine Freundschaft nur zu den Bedingungen einer Partei geführt werden kann, ist es keine echte Freundschaft. Freundschaft braucht Toleranz. Zieht weiter, wenn ihr die nicht erhaltet.
Im Gegenzug dafür findet ihr neue Leute, die euch eine Stück auf der Reise begleitet und die besser zu euren momentanen Lebenszielen gehören.
Bis zum nächsten Mal
Euer Reggy
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