TastaturlayoutQertz ist doof. Das habe ich in meinem letzten Artikel begründet. Die Tastaturbelegung erfolgte aus mechanischen Gründen, die unterdessen weggefallen sind. In diesem Eintrag stelle ich euch die Alternative Neo2 vor und erkläre, warum sie mir so viel besser gefällt als Quertz.

Der schlechte Standard

Wenn man sich eine Qwertz-Tastatur wie im nachfolgenden Bild einmal genau ansieht, fallen hinsichtlich der Anordnung der Buchstaben mehrere Aspekte auf, die auf ein ineffizientes Layout hindeuten. Dies wurde mit Studien belegt.

  • In der Grundreihe – das ist beim 10-Finger-Tippen die mittlere Buchstabenreihe zwischen ‚A‘ und ‚Ä‘ – sind außer ‚A‘ und ‚S‘ keine besonders häufig benötigten Buchstaben enthalten.
  • Bei durchschnittlichen Texten wird die linke Hand mehr belastet als die rechte Hand.
  • Die Hände werden auf den äußeren Seiten, also bei den schwächeren Fingern, mehr belastet als innen bei den starken Fingern.
  • Häufige Buchstaben liegen weit verteilt auf der Tastatur.
  • Bi- und Trigramme, also oft benötigte Buchstabenabfolgen aus zwei und drei Buchstaben, werden häufig von derselben Hand oder gar demselben Finger getippt, was langsamer geht als ein möglichst ständiger Wechsel der Hände.

 

Eine Studien hat eine Art Wärmebild hervorgebracht, mit dem die Häufigkeit der Buchstabennutzung je Taste angezeigt wird. Zwar zeigt das Bild das amerikanische Qwerty-Layout an und die Studie stützt sich sicherlich auf englische Texte, aber die Häufigkeitsverteilung von Buchstaben in Texten unterscheidet sich zwischen der deutschen und englischen Sprache nicht erheblich. Qwerty und Qwertz sind ebenfalls fast identisch. Ein entsprechendes Bild für Qwertz habe ich nicht vorliegen, aber es würde sehr ähnlich aussehen.

QWERZ1

Bildquelle: http://xahlee.info

Es ist kaum vorstellbar, dass moderne Computer auf einem Tastaturlayout von 1868 beruhen, obwohl alle Welt von Ergonomie redet und Sehnenscheidenentzündungen weit verbreitet sind.

NEO2 ergonomisch optimiert

Neo2 ist eines von vielen alternativen Tastaturlayouts. Weil ich ohnehin das 10-Finger-Tippen in der Ausbildung versemmelt habe, war ich offen dafür, ein logischeres und effizienteres Tastaturlayout zu wählen. Mein Versagen war also der Startpunkt für die Suche nach etwas Besserem. So habe ich mir Zeit genommen und mehrere Layouts miteinander verglichen. Schliesslich habe ich mich für Neo2 entschieden. Vorab: Neo lebt derzeit in einer Version 2. Ich beziehe mich hier immer auf diesen Stand, sowohl mit „Neo“ als auch „Neo2“.

Folgende Gründe sprechen für Neo2:

  • Neo2 berücksichtigt Erfahrungen anderer Alternativlayouts, z.B. dem Dvorak-Layout aus den 1930er Jahren, basiert aber auch auf maschinellen Auswertungen von Texten und Buchstabenhäufigkeiten und -abfolgen.
  • Neo2 ist speziell für die deutsche Sprache optimiert.
  • Die häufigsten Buchstaben liegen auf der Grundreihe. Bei Neo2 deckt die Grundreihe 63% aller Buchstaben eines durchschnittlichen Textes ab, während es bei Qwertz nur etwa 25% sind. Alleine mit der Grundreihe können bei Neo2 etwa 3600 deutsche Wörter geschrieben werden, bei Qwertz sind es nur 75. Die Hände bleiben viel ruhiger, weil deutlich seltener zu entfernten Buchstaben gesprungen werden muss.
  • Die häufigsten Buchstaben liegen unter den stärksten Fingern.
  • Die linke Hand hat die Vokale auf der Grundreihe, während rechts die häufigsten Konsonanten auf der Grundreihe liegen. So ergibt sich ein häufiger Wechsel zwischen beiden Händen, was einen flüssigen Lauf begünstigt.
  • Bi- und Trigramme können effizient getippt werden.
  • Die Tippfolgen häufiger Wörter sind auf kurze Wege optimiert.

Und so sieht das „Wärmebild“ aus. Die Effizienz ist sichtbar erhöht.

Neo2 bietet weitere Vorteile:

  • Keine AltGr-Verrenkungen mehr, weil alle Sonderzeichen im Buchstabenfeld untergebracht sind.
  • Viele Zeichen vom Programmieren, aus der Mathematik und Wissenschaft können direkt eingegeben werden.
  • Auch ein Nummernblock und die meisten Steuertasten befinden sich im Haupttastenfeld.
  • Auch gängige Tastenkombinationen wurden berücksichtigt, wie z.B. Ctrl+X, +C und +V, die weiterhin einhändig mit der linken Hand gegriffen werden können.

Das Neo2-Layout bietet sechs Ebenen an. Man muss aber nicht gleich alle Ebenen auswendig lernen.
Die erste Ebene enthält die Kleinbuchstaben und die zweite Ebene die Grossbuchstaben analog zum Qwertz-Layout.

 

Ebene 1:

Die Farben kennzeichnen lediglich, welcher Finger für die Tasten zuständig ist.

  • blau: Zeigefinger
  • grün: Mittelfinger
  • rot: Ringfinger
  • orange: kleiner Finger

Ebene 2:

Auf dieser Ebene befinden sich die Grossbuchstaben, aber u.a. auch Währungszeichen. Neo2 unterstützt zudem das grosse Eszett, welches seit 2008 Bestandteil des Unicode und seit 2017 Bestandteil der deutschen Rechtschreibung ist.

Ebene 3:

Auf der dritten Ebene sind die meisten Sonderzeichen untergebracht. Sie sind zudem recht systematisch angeordnet. Die Ebene ist schnell gelernt und ich kann Quellcode mit Neo2 definitiv schneller eingeben, und zwar ohne Verrenkungen mit der AltGr-Taste. Besonders erwähnenswert ist die Compose-Taste (mit dem Notensymbol, auf der Tab-Taste), mit der Zeichen eingegeben werden können, die nicht auf der Neo-Tastatur vorkommen. Hierbei werden mehrere Tasten nacheinander getippt, und im Prinzip übereinandergelegt, um ein neues Zeichen zu erzeugen. Möchte ich z.B. das französische Cedille ‚ç‘ eingeben, drücke ich die Compose-Taste und tippe dann ein ‚c‘ und ein Komma, weil beides übereinandergelegt wie ein Cedille-Zeichen aussieht. Oder ich drücke Compose, dann ein ‚+‘ und ein ‚-‚ und erhalte ein ‚±‘-Zeichen. Es gibt Tabellen, was man auf diese Weise alles eingeben kann, aber es ist meist recht intuitiv.

Mit den ersten drei Ebenen hat man alles, was ein Neu-Autor benötigt um bequem seinen Roman zu schreiben.

Ebene 4:

Die vierte Ebene enthält links Steuertasten (u.a. Cursortasten, Bild auf/ab, Pos1, Ende, Esc, Backspace, Del, Enter, …) und rechts einen Nummernblock mit Rechenoperatoren.

Mehr als die vier ersten Ebenen bracht ein durchschnittlicher User eigentlich nicht.

Ebene 5 + 6:

In der fünften Ebene sind griechische Kleinbuchstaben untergebracht. Man muss diese Ebene nicht auswendig lernen, denn die Buchstaben liegen genau über den zugehörigen lateinischen Buchstaben der ersten Ebene. Wo auf Ebene 1 das ‚a‘ ist, ist hier das Alpha ‚α‘, bei ‚b‘ das Beta ‚β‘, usw. Hier finden sich aber auch das geschützte Leerzeichen und der geschützte Bindestrich.

Auf der sechsten Ebene schliesslich sind die griechischen Grossbuchstaben hinterlegt.

 

Neo2 einrichten

Die Einrichtung von Neo2 ist grundsätzlich einfach. Das Neo-Layout kann unter Windows mit einem Treiber nachgerüstet werden. Es gibt dazu sowohl einen Treiber mit Installation, als auch einen portablen Treiber, der ohne Installation z.B. von einem USB-Stick gestartet werden kann.

Im Linux-Kernel ist Neo2 per Standard enthalten, somit wird kein zusätzlicher Treiber benötigt. Auf der Arbeit habe ich unter Windows den portablen Treiber per Autostart eingebunden.

 

Neo2 lernen

Wie schwierig ist Neo2 denn zu erlernen? Der Aufwand liegt zwischen 25 und 100 Stunden. Ich habe es ohne ein Lehrprogramm gemeistert. Dafür habe ich mir Tastenbelegung der erster vier Ebenen klein ausgedruckt und sichtbar auf den Schreibtisch gelegt. Der Kontrollblick auf die Tasten entfällt, da die Buchstaben sowieso nicht übereinstimmen.

Dennoch hier einige Tipps, die den Umstieg erleichtern:

  1. Günstigen Zeitpunkt wählen, so dass möglichst in den nächsten ein bis zwei Wochen nicht die Welt untergeht, wenn das Tippen sehr langsam läuft.
  2. Vorab das Neo-Tastaturlayout kennenlernen, da die Tastaturbelegung anders beschriftet ist.
  3. Mit einem Trainingsprogramm erste Lektionen durcharbeiten. Dabei möglichst mehrmals täglich je ein paar Minuten üben. Für das Gehirn ist der Trainingseffekt besser, wenn man mehrmals kurz als einmal länger übt.
  4. Spätestens nach drei oder vier Tagen sollte man alle verwendeten Tastaturen konsequent auf Neo2 umstellen und vorerst nicht mehr zurück zum bisherigen Layout gehen. Auch wenn es plötzlich unbequem und mühsam ist, weil eine kurze E-Mail zu schreiben minutenlang dauert. Auch wenn der Chef neben einem steht und schell etwas wissen möchte. Parallel weiterhin möglichst mehrmals täglich Lektionen mit dem Trainingsprogramm durchführen.

 

Meine Lernkurve

So detailliert habe ich es nicht mehr vorliegen, aber ich kann grob meinen Fortschritt skizzieren:

  • August 2021: Ich habe bewusst an einem Freitag begonnen das Layout zu lernen und über das Wochenende möglichst viel geschrieben. Am folgenden Montag habe ich meine Tastaturen, auch auf der Arbeit, auf Neo2 umgestellt. Zu dem Zeitpunkt kannte ich zumindest die Lage aller Buchstabentasten auswendig und konnte langsam schreiben.
  • nach einer Woche: Ich tippte zwar immer noch langsam, etwa einen Anschlag pro Sekunde, aber ich war schon nicht mehr so verloren mit der Sache. Ganz am Anfang ist die Hürde hoch, weil man nicht spontan etwas schreiben kann und hohe Konzentration aufbringen muss. Um meine Umstellung möglichst schmerzarm zu gestalten, habe ich einen Zeitpunkt gewählt, wo ich auf der Arbeit eher wenig tippen musste, während ich Zuhause aber lange Texte geschrieben habe.
  • Nach zwei Wochen: Ab hier war es definitiv kein Hindernis mehr im Alltag. Zwar war ich immer noch nicht auf einem Tempo, was alltagstauglich ist, aber so etwas dauert eben und erfordert Geduld. Häufig verwendete Bigramme, z.B. „ch“, „ei“, „ng“ liefen bereits automatisiert ab, sozusagen aus dem Handgedächtnis. Man denkt bereits nicht mehr buchstabenweise, sondern eher in Silben oder kleinen Buchstabengruppen.
  • nach einem Monat: Spätestens hier war ich mit Neo2 flüssig unterwegs. Die Handbewegungen wurden kleiner. Das Tempo und die Fehlerrate liessen sich aber noch verbessern. Etwa hier hatte ich das Tempo erreicht, mit dem ich zuvor Qwertz schrieb, was allerdings nicht so unglaublich hoch war. So ca. 120 Zeichen pro Minute. Mittlerweile kannte ich auch alle Sonderzeichen unter Neo2, sowie erweiterte Funktionen und konnte sie sinnvoll einsetzen. Gerade beim Programmieren ist man sehr viel eleganter unterwegs, weil alle Sonderzeichen ohne Verrenkungen mitten im Buchstabenbereich eingebbar sind.
  • nach zwei Monaten: Ich hatte mein Qwertz-Tippen von früher definitiv überholt.

 

Und habe ich Qwertz verlernt? Nein. Nach einem Jahr Neo2 kann ich sagen, dass ich mit Qwertz immer noch ungefähr so schreibe, wie zuvor, obwohl ich es nahezu nie verwende. Das Gehirn schaltet bei Bedarf blitzschnell um, so als ob man eine andere Sprache anwendet. Ich kann ohne mich darauf zu konzentrieren, an fremden PCs mit Qwertz-Layout Eingaben machen – allerdings eben langsamer als Neo2, da ich es mit Qwertz nie besser gekonnt habe.

 

Fazit

Sowohl privat als auch auf der Arbeit schreibe ich mit dem Neo2-Tastaturlayout. Der Lernaufwand war kleiner, als vorher befürchtet. Ja, die erste Woche war hart, aber dann kam ich schon langsam zurecht.

Unter Qwertz und der vorherigen Standardtastatur bahnten sich bereits Nackenverspannungen und Reizungen der Arme an, die bei mir aber noch nicht erheblich waren. Sie sind seit der Umstellung komplett verschwunden. Das Tippen ist viel ruhiger. Die Hände springen weniger, weil die meisten Eingaben in der Mitte der Tastatur erfolgen. Meine Fehlerquote beim Tippen ist geringer als mit Qwertz und mein Tempo höher.

Insofern kann ich jedem, der ohnehin gerne ein 10-Finger-Tippsystem erlernen will, empfehlen sich vorher mit ergonomischen Layouts auseinanderzusetzen. Es lohnt sich meines Erachtens sehr. Nach meiner Erfahrung verschwindet dadurch das bisher geübte Layout nicht und man kommt zur Not immer an fremden PCs zurecht.

 

Bis zum nächsten Mal

Euer Reggy