SchluchtBei modernen Büchern sehe ich oft weisse Flächen oder Symbole, die einzelne Szenen voneinander abtrennen. Diese Leerzeilen reissen einen Spalt in den Erzählfluss und verleiten zum Weglegen des Buches. In alten Büchern ist das anders; dort sind die einzigen Leerzeilen zwischen den Kapiteln zu finden. In diesem Eintrag zeige ich verschiedene Stilmittel um diese erzählerische Kluft zu überbrücken.

Was ist eine Szene?

Um Szenen miteinander verbinden zu können, hilft es zu wissen, was eine Szene überhaupt ist. Einfach erklärt, ist es die kleinste geschlossene Erzähleinheit eines Romans. Sie besteht aus den drei folgenden Einheiten:

  • Einheit aus Zeit.
  • Einheit aus Ort.
  • Einheit der Handlung.

 

Veränderung bei Szenenwechsel

Das Ende einer Szene und der Anfang einer neuen Szene ist meist auch ein Wechsel der Erzählsituation. Ein Szenenwechsel bringt oft eine oder auch mehrere Veränderungen mit sich:

  • Ortswechsel
  • Zeitsprung
  • Wechsel des Figurenensembles
  • Anderer Handlungsstrang
  • Wechsel der Erzählperspektive

 

Der harte Schnitt ist bequem

Eine Szene endet unvermittelt, dann folgt eine Leerzeile und im Anschluss daran die nächste Szene. Für mich als Autor ist das die bequemste Art für einen Szenenwechsel. Ich muss nicht erklären, wie jemand von einem Ort zum anderen kommt oder was in der nicht erzählten Zeit passiert. So treibt der Szenenwechsel ohne zusätzliche Worte meine Geschichte vorantreiben. Leser sind diese harten Szenenwechsel gewohnt und haben gelernt, diese leere Zeile in ihrem Kopf auszufüllen.

Das Problem mit harten Schnitten

Jedoch bringt ein harter Schnitt auch seine Tücken mit sich: Szenenwechsel sind oft Momente um das Buch aus der Hand zu legen. Die Leerzeile schreit genauso laut wie ein neues Kapitel, dass hier eine Erzähleinheit endet. Deshalb ist es unerlässlich, dass sowohl Szenenende als auch Anfang prägnant sind. Das Publikum soll weiterlesen wollen und erwartet einen attraktiven Einstieg nach der Pause. Die eigene Leseerfahrung zeigt aber, dass diese konstante Spannung nicht immer gewährleistet ist.

Packende Cliffhanger sind rar

Gute Cliffhanger sind schwierig zu schreiben. Deshalb spare ich mir die lieber für Kapitelwechsel anstatt der Szenewechsel auf. Durch die Vermeidung der Leerzeile gewinnt die Geschichte ohnehin an erzählerischer Geschwindigkeit.

 

Das erzählerische Bindeglied

Bindeglieder aus wenigen Worten bis hin zu wenigen Sätzen schlagen Brücken über die Kluft der Leerzeilen. Hier drei einfache Tricks:

Ortswechsel

Bei Ortswechseln kann kurz erzählt werden, wie die Protagonisten dorthin gekommen sind. Beispielsweise indem erwähnt wird, dass die Bahnfahrt ohne Probleme verlief, mal abgesehen von der zehnminütigen Verspätung.

Zeitsprung

Im Satzanfang kann ein Zeitsprung angegeben werden. Satzanfänge wie beispielsweise «Am nächsten Morgen» oder «Zwei stunden später» sind eine einfache Methode, die Leerzeile zu vermeiden und einen flüssigeren Übergang zu gewährleisten.

Figurenensembles und anderer Handlungsstrang

Von einem Handlungsstrang zum anderen zu Springen gelingt oft, indem auf die Gleichzeitigkeit hingewiesen wird, oder indem der auktorialen Erzähler erwähnt, dass der Protagonist nichts davon ahnte, dass der Antagonist sich gleichzeitig mit seinen Spiessgesellen trifft. Nach einer solchen Ansage erwartet das Publikum zu erfahren, was denn dort geschieht.

Wechsel der Erzählerperspektive

Auch hier sind Bögen möglich, indem beispielsweise bei einem Telefongespräch der Hörer weitergegeben wird. Generell kann mit erzählerischem Geschick zu Beginn jedes Abschnitts die Perspektive wechseln. Bei einem Ich-Erzähler bietet sich ohnehin der Wechsel eher an einem Kapitelanfang an.

Perspektivenwechseln können viel zu einem Leseerlebnis beitragen. Jedoch nur, wenn sie erzählerisch gut eingesetzt sind. Wer viele flapsige Perspektivenwechsel in seiner Geschichte hat, sollte sich fragen, ob sein Protagonist in erster Linie interessant genug ist, um ihm ein ganzes Buch lang zu folgen.

 

Der Widerhall

Eine weitere Möglichkeit, einen Szenenwechsel bewusst zu gestalten, ist das Anknüpfen an ein Detail der vorhergehenden Szene. Bekommt beispielsweise in einer Szene ein Kind seinen ersten Computer geschenkt, so könnte der inzwischen erwachsene Mensch in der nächsten Szene den Computer von damals im Keller entdecken.

Ein Objekt oder Ereignis als Verbindungsglied eignet sich besonders gut für die Überleitung zu einer Rückblende, da alle Erinnerungen mit bestimmten Details verknüpft sind. Es müssen keine physischen Objekte sein. Für einen Widerhall eigenen sich auch Musik, Wetter, Gerüche oder Gefühle. Beispielsweise kann der Geruch von Apfelkuchen an die verstorbene Grossmutter erinnern.

 

Fazit: Leerzeilen zwischen Szenen animieren dazu, das Buch wegzulegen. Das kann mit einfachen Techniken vermieden werden. Durch Verbindungen der einzelnen Szenen wirkt der Erzählbogen runder und Kapitel werden zu einer kompakteren Erzähleinheit. Wo keine Bögen zwischen einzelnen Szenen geschlagen werden kann, sollte die Szenenfolge, oder ein Kapitelschnitt geprüft werden.

 

Bis zum nächsten Mal

Euer Reggy