Die Rohfassung ist der einfache Teil. Danach fängt die knifflige Arbeit erst an. Leider sind die Ratschläge dafür meist so allgemein gehalten, dass sie wenig Mehrwert bieten. So fehlte mir bisher die Methode, meine Erfassungen sinnvoll zu bearbeiten. Bis ich auf den Ratgeber Bleuprint Your Bestseller von Stuart Horwitz stiess.
Wie überarbeite ich einen Rohfassung?
Ich habe bereits zum zweiten Male eine Rohfassung beendet. Natürlich habe ich Blogposts und Youtube Tutorials zum Redigieren einer Rohfassung verschlungen. Die Tipps glichen sich alle auffallend: Abstand gewinnen, nach Inhalt redigieren, zweite Fassung nach Sprache, dritte Fassung Feinschliff. Irgendwo dazwischen noch Lesermeinungen einholen. Leider sind die Anweisungen meist so vage gehalten, dass sie komplett unbrauchbar sind.
Buch-Architektur-Methode
Bleuprint Your Bestseller hingegen hat sich ganz der Methode verschrieben. Darin wird die Book Architecture Method erläutert und anhand Andersens Kurzgeschichte Das hässliche Entlein aufgedröselt. Interessanterweise beschäftigt sich die Methode weder mit Plot noch Charakteren. Stattdessen orientiert man sich an Szenen, wiederkehrende Serien und dem Buchthema. Die eigene Geschichte wird in 22 Schritten zuerst seziert und dann neu zusammengesetzt.
Die 22 Schritte
- Schreibe alle Szenen auf, an die du dich erinnerst
Schreibe aus dem Gedächtnis alle Szenen aus deinem Skript auf. Gebe ihnen Namen, bei denen du gleich weisst, was in der Szene passiert. - Deine guten Szenen
Markiere die Titel deiner guten Szene mit einem grünen Highlighter. Gut heisst in diesem Fall nicht, dass die Szene perfekt ist. Es bedeutet, dass die Szene im Moment für dich funktioniert. - Deine schlechten Szenen
Markiere die schlechten Szenen mit pinkem Highlighter. Schlecht heisst, dass die Szene noch nicht funktioniert. - Deine vergessenen Szenen
Liess dein Manuskript und ergänze deine Szenen-Liste mit all den Szenen, an du dich nicht erinnern konntest. Markiere diese Szenen in blau. Hier unterscheidest du nicht in gut oder schlechte Szenen. Sie sind einfach vergessene Szenen. - Schneide deine Szenen auseinander
Entweder mit Schere und Papier oder speichere jede Szene als eigene Datei ab. Dieser radikale Schritt befreit dich von deiner bisherigen Ordnung und verhindert, dass deine zweite Fassung nur eine leichte Überarbeitung der Rohfassung wird. - Deine Schlüsselszenen
Gehe deine Szenen durch und markiere deine Schlüsselszene mit einem Stern. Du kannst später noch weitere Schlüsselszenen hinzufügen. Jetzt geht es nur um einen ersten Überblick. - Benenne deine Serien
Suche in deinen Schlüsselszenen nach wiederkehrenden Themen. Das können Personen oder Themen sein, die immer wieder in deiner Geschichte auftreten. Da besonders viele Serien in Schlüsselszenen zusammentreffen, lohnt sich die Betrachtung der Schlüsselszenen. Benenne deine Serien wie zuvor die einzelnen Szenen. - Erweitere die Liste deiner Serien
Gehe dein restliches Manuskript durch und suche nach zusätzlichen Serien, bis du ungefähr zwölf bis fünfzehn Serien gefunden hast. Betrachte dafür besonders deine guten Szenen und fasse jedes Erscheinen einer Serie kurz zusammen. - Beschreibe deine Serien
Beschreibe jede Serie in einem Satz, der besagt worum es in der Serie geht und wie sie sich entwickelt. Wenn es keine Veränderung zum Positiven oder Negativen gibt, notiere auch das. - Liste deine Serien-Sätze auf
Liste die Sätze untereinander auf. Oben die wichtigste Serie, unten die unwichtigste. - Deine eine Sache
Dein Buch kann sich nur um eine Sache handeln. Um diese Sache festzulegen, destilliere deine Serien-Sätze zu vier Sätzen. Fokussiere dich hier auf die wichtigsten Serien und deren Verläufe. Kombiniere die Elemente, bis du nur noch zwei Sätze hast und schliesslich nur noch einen. Dieser Satz ist das Thema deiner Geschichte. - Übernimm die Kontrolle
Denke über das Thema deiner Geschichte nach. Stimmt es mit deinen Werten überein? Ist es das, was du sagen willst? Ist es deine Zeit und Anstrengung wert? Ist es die Zeit deiner Leser Wert? Wenn nicht: Wie kannst du das Thema anpassen, damit es näher bei dem ist, was du sagen willst? Ändere dein Thema, wenn es so noch nicht für dich stimmt. - Zeichne die Zielscheibe
Zeichne einen Zielscheibe und trage deine eine Sache in der Mitte ein. Arrangiere alle Elemente (Serien, Szenen, Charakteren, Orte) näher oder weiter weg von der Mitte, je nachdem wie wichtig sie für dein Thema sind. - Finde die Aussenseiter
Bestimme die Elemente, die am weitesten entfernt von deinem Thema sind. Entscheide, wie wichtig diese Elemente für dein Thema sein könnten. Jetzt musst du die Entscheidung treffen, ob du diese Elemente aus deiner Geschichte streichst, oder wie du neue Verbindungen dieser Elemente zu deinem Thema herstellst. - Deine Haupt-Serie
Wähle einen Serie aus, die deine Timeline widerspiegelt und an der sich der Leser orientieren kann. Arbeite die drei nächsten Schritte anhand dieser Serie ab, bevor du dich den anderen Serien zuwendest. - Chronologische oder narrative Ordnung?
Folgt deine Serie einer chronologischen Zeitfolge oder einer erzählerischen Ordnung? Lege das für all deine Serien fest. Beachte: Wenn deine Hauptserie einer narrativen Ordnung folgt, ist es für der Leser vielleicht gut, wenn andere Serien einer chronologischen Ordnung folgen. - Beginn, Mitte und Ende
Betrachte Beginn, Mitte und Ende deiner Hauptserien um festzustellen, ob alle Teile davon vorhanden sind oder Teile existieren, die keinen Effekt haben. Betrachte die einzelnen Segmente aller wichtigen Serie um festzustellen, ob alles funktioniert oder noch etwas fehlt. - Zahl der Segmente
Halte fest, wie oft eine Serie wiederkehrt und wo die Wendepunkte der Serie sind. Mach das für alle Serien. - Ordne deine Schlüsselszenen
Bringe die Schlüsselszenen in die Reihenfolge, in der sie in der Geschichte vorkommen sollen. Du hast nun alle Informationen, um die Reihenfolge festlegen zu können. - Ordne all deine Szenen
Bringe nun all deine Szenen in die Reihenfolge, in der sie in der zweiten Fassung vorkommen sollen. Orientiere dich dabei au deinen Schlüsselszenen und dem Verlauf deiner Serien. - Das Schicksal der schlechten und vergessenen Szenen
Entscheide bei all deinen schlechten und vergessenen Szene, ob du sie streichen willst. Entscheide, ob du einen Teil davon mit anderen Szenen kombinieren willst, oder ob du Szenen kürzt oder ausbauen willst. Überlege dir hier auch, ob es noch fehlende Szenen gibt, die du neu schreiben musst. - Verlinke deine Szenen
Füge Szenenübergänge ein und überlege, wie du aufeinanderfolgende Szenen miteinander verbinden kannst. Das hilft dem Lesefluss und lässt die Geschichte organischer wirken. Nummeriere die Kapitel, oder gib ihnen einen Title. Damit steht die Struktur für deine zweite Fassung. Nun musst du nur noch die zweite Fassung neu schreiben.
Fazit: Die Methode funktioniert für mich. Es ist harte Arbeit, aber sie lohnt sich. Der Fokus auf das Thema, Serien und Szenen zeigt auf, welches die Schlüsselszenen sind, welche Szenen noch fehlen und welche Szenen wegfallen. Das spielerische herumschieben einzelner Szenen hilft, die Geschichte runder zu machen. Ich stellte fest, dass mein Mittelteil nicht funktioniert wie geplant und welche Szenen ich stattdessen schreiben könnte. Auch verschob ich Szenen vom ersten Drittel ins letzte und umgekehrt. Nach der Analyse kommt nun der nächste Schritt: Ich schreibe meinen Zweitentwurf von Grund auf neu.
Bis zum nächsten Mal
Euer Reggy
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